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Zur Debatte um das Bürgergeld

Für Solidarität und Gute Arbeit

Zum 01. Januar wurde das Bürgergeld erhöht. Darüber wird derzeit viel diskutiert: Die Erhöhung der Regelsätze sei unverhältnismäßig, Arbeit würde sich nicht mehr lohnen und die Menschen würden sich freiwillig gegen Arbeit und für den Bürgergeldbezug entscheiden. Die CDU hat kürzlich einen Reformvorschlag vorgelegt, der u.a. eine erneute Verschärfung von Sanktionen vorsieht. Es lohnt sich ein Blick auf die Fakten zu werfen und mit einigen Mythen und Falschbehauptungen rund um das Thema Bürgergeld aufzuräumen.

Erhöhung des Bürgergeldes

Die Regelsätze des Bürgergelds wurden für Alleinstehende zum 01. Januar 2024 von 502 Euro auf 563 Euro erhöht, was einer Anhebung von 12 % entspricht. Grundlage hierfür ist ein gesetzlich festgelegter Anpassungsmechanismus (siehe hier). Danach werden die Regelsätze nun schneller an die aktuelle Preisentwicklung angepasst werden. Die Erhöhung berücksichtigt also lediglich die starke Inflation, die gerade im Bereich der lebenswichtigen Güter, wie etwa Lebensmittel oder Strom, besonders hoch war.

Nötig ist dies auch, weil mit dem Bürgergeld ein Grundrecht berührt ist: Die Bürgergeldsätze definieren das soziokulturelle Existenzminimum unterhalb dessen ein menschenwürdiges Leben nicht zu führen ist. Dieses Grundrecht gilt es auch in Zeiten von staatlichen Ausgabenkürzungen und Haushaltsstreitigkeiten zu verteidigen.

Lohnt sich Arbeit nicht mehr?

Von verschiedenen Seiten wird argumentiert, dass sich Arbeit aufgrund der Erhöhung des Bürgergeldes nicht mehr lohnen würde. Manche Politiker und Lobbyisten werden nicht müde immer wieder zu behaupten, dass Bürgergeldbeziehenden in Zukunft mehr Geld erhielten als Menschen mit Arbeitseinkommen.

Diese Aussage ist schlicht und ergreifend falsch: Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) hat anhand umfangreicher Berechnungen dargelegt, dass Haushalte in allen denkbaren Konstellationen immer mehr Geld erhalten, wenn sie arbeiten.
 

 

Bürgergeld*

Mindestlohn**

Differenz

Single

966€

1.498€

532€

Alleinerziehende, 1 Kind (14 - 17 J.)

1.693€

2.328€

635€

Familie,
3 Kinder
(14 - 17 J.)

3.514€

3.943€

429€

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Tabelle 1: Haushaltseinkommen mit und ohne Erwerbstätigkeit (Quelle: WSI/Böckler)

 

Bei Alleinstehenden, die in Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, sind es im Durchschnitt 532 Euro mehr; bei Familien mit drei Kindern und einem Mindestlohneinkommen sind es je nach Alter der Kinder zwischen 429 und 771 Euro (siehe Tabelle 1). Dies liegt u.a. auch daran, dass Geringverdienende Anspruch auf zusätzliche Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag und einen größeren Freibetrag beim Erwerbseinkommen haben.

Der oft ins Feld geführte Lohnabstand – die Differenz zwischen dem geringsten Arbeitseinkommen und dem Bürgergeld – ist in den vergangenen zehn Jahren keinesfalls geringer geworden. Der Mindestlohn ist seit 2015 um 46 Prozent gestiegen, die Regelsätze hingegen nur um 41 Prozent.

Die Behauptung, dass Menschen nun massenhaft aus ihren Jobs in den Bürgergeldbezug wechseln, lässt sich auch empirisch leicht widerlegen. Daten des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) zeigen, dass es keinen verstärkten Zugang von Menschen aus der Erwerbstätigkeit in die Arbeitslosigkeit und den Bürgergeldbezug gibt.

Sind schärfere Sanktionen die Lösung?

Die Bundesregierung hat bereits auf den öffentlichen Druck reagiert und Reformen beschlossen, die bedauerlicherweise die guten Ansätze der Bürgergeldreform teilweise zurücknehmen. So wurde der Bürgergeldbonus von 75 Euro gestrichen, der die Anreize für Qualifikation verbessern sollte; bei Ablehnung von Jobangeboten wurden außerdem Sanktionsmöglichkeiten von bis zu 100% des Regelsatzes für bis zu zwei Monate eingeführt.

Diese Art der Sanktionen widerspricht zum einen im erheblichen Maße dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019, in dem der Sanktionspraxis auf der Grundlage des Anspruchs auf die Gewährleistung des Existenzminimums enge Grenzen gesetzt worden sind. Zum anderen zeigen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit, dass sich die Zahl derer, die von Sanktionen aufgrund einer Ablehnung von Jobangeboten betroffen sind, im Promillebereich bewegt. Aus Studien des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) wissen wir außerdem, dass Sanktionierte häufig in instabile und schlecht bezahlte Beschäftigungsverhältnisse gedrängt werden und nach kurzer Zeit wieder im Bürgergeldbezug landen.

Die Reformen lösen also kein einziges Problem, sind verfassungsrechtlich bedenklich und im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv für die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt.

IG Metall: Für Solidarität und Gute Arbeit

Der Einsatz für eine bedarfsgerechte Grundsicherung und Gute Arbeit schließen sich nicht aus. Es gib viele Möglichkeiten die Einkommenssituation von Arbeitenden, insbesondere im unteren Lohnbereich zu verbessern: Wer den Lohnabstand vergrößern will, sollte sich für eine Erhöhung des Mindestlohns und tarifvertraglich abgesicherte und gut bezahlte Arbeitsplätze einsetzen.

Gewerkschaften sind hier gefragt. Als IG Metall setzen wir uns für gute Arbeitsbedingungen, tarifvertragliche Absicherung, faire Löhne für alle und eine solidarische Grundsicherung ein.

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* Beim Bürgergeld ergibt sich das verfügbare Einkommen aus den Leistungen des Bürgergeldes, ggf. zuzüglich des Sofortzuschlags.
** Beim Mindestlohn ergibt sich das verfügbare Einkommen auf Basis einer Wochenarbeitszeit von 38,32 Stunden. Davon werden Sozialabgaben und ggf. Steuern abgezogen und der Anspruch auf staatliche Leistungen (z.B. Wohngeld, Kindergeld, etc.) wird hinzuaddiert.