„Tiefer Griff in die Mottenkiste des Sozialabbaus“
Wie bewertest du die Maßnahmenvorschläge von Gesamtmetall zur wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise?
Deregulierung von Arbeitnehmerrechten und Einschnitte bei den Sozialleistungen – tiefer könnte der Griff in die Mottenkiste des Sozialabbaus nicht ausfallen. Hier geht es nicht um ein Belastungsmoratorium, also ein Ende von angeblichen Arbeitgeber-Belastungen. Gefordert wird ein Sozialabbau auf breiter Front. Und das, nachdem gerade die Wirtschaft in hohem Maße von den Krisenmilliarden der Regierung profitiert hat. Ich halte das für ein Programm der sozialen Kälte und der Solidaritätsverweigerung.
Was sagt das Papier über das Verhältnis der Metallarbeitgeber zum Sozialstaat aus?
Offensicht handelt es sich um ein gestörtes Verhältnis. Wirtschaft und Gesellschaft stehen vor einer digitalen und ökologischen Modernisierung – und die deutschen Metallarbeitgeber verwechseln den Sozialstaat mit einem Sparschwein. Mit Niedriglöhnen, unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und einem ausgezehrten Sozialstaat ist im 21. Jahrhundert aber kein Staat zu machen.
Welche Lehren würdest du aus der aktuellen Situation stattdessen ziehen?
Die gegenwärtige Krise zeigt doch, dass der deutsche Sozialstaat mehr wert ist, als er kostet. Gäbe es ihn nicht, müsste man ihn erfinden. Er fängt ökonomische Krisenwellen ab, hilft Beschäftigung zu stabilisieren und macht wirtschaftliche und soziale Innovationen erst möglich, indem er den Menschen ein Mindestmaß an Sicherheit gewährt.
Das Papier enthält außerdem Forderungen im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Wie ist deine Einschätzung zu den vorgeschlagenen Maßnahmen?
Mit der Infragestellung bewährter Mindeststandards des Arbeits- und Gesundheitsschutzes spielen die Arbeitgeber mit der Gesundheit der Beschäftigten. Der Schutz vor den Gesundheits- und Infektionsgefahren erfordert mehr und nicht weniger Gesundheitsschutz. Das sollte sich wirklich bis zu den Arbeitgebern rumgesprochen haben. Die Metallindustrie ist nicht die Fleischindustrie. Wir wollen keine weiteren Corona-Hotspots. Daran sollten doch alle Beteiligten ein Interesse haben.
Was wäre aus deiner Sicht eine angemessene Präventionsstrategie?
Um ein erneutes Herunterfahren der Produktion in der Metall- und Elektroindustrie zu verhindern, brauchen wir verbindliche Schutzstandards – solche, die sich auf der Höhe der arbeitswissenschaftlichen und medizinischen Kenntnisse bewegen und die für alle gelten. Dazu gehört auch der gesetzlich verankerte Vorrang technischer und organisatorischer vor personenbezogenen Schutzmaßnahmen. Mund-Nase-Bedeckungen für alle ist keine hinreichende Präventionsstrategie. Effektive Corona-Prävention bedeutet, Sicherheitsabstände zu gewährleisten, Anwesenheit im Betrieb zu entzerren und die Einhaltung von Hygieneregeln zu ermöglichen.