Ringen um die Aktienrente
Die Bundesregierung plant eine zusätzliche Finanzierung der gesetzlichen Rente aus Aktienerträgen. So viel steht fest. Doch wie das, was unter den Titel Aktienrente mal gestartet war und jetzt Generationenkapital heißt, am Ende aussehen wird, ist nach wie vor unklar. Wenn es nach Finanzminister Lindner geht, soll mit Krediten des Bundes ein Kapitalstock aufgebaut und am Finanzmarkt angelegt werden. Dieser Kapitalstock soll in den kommenden 15 Jahren auf rund 150 Milliarden ansteigen und so den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung um etwa 0,5 Beitragssatzpunkte entlasten.
Woher soll das Geld kommen?
Woher das Geld kommen soll, ist weder ganz klar noch unumstritten. Der Finanzminister spekuliert unter anderem darauf, dass der Staat sich zu günstigen Konditionen Geld am Kapitalmarkt leihen kann, eine Stiftung in Aktien investiert und die Renditen höher sind als die Zinsen für das geliehene Geld (sog. Zinsdifferenzial)[1]. Diskutiert wird aber auch darüber, zusätzlich Beteiligungen des Bundes (etwa Post-Aktien) in die Stiftung einzubringen. Und mehr noch: Die FDP plädiert auch dafür zukünftig einen „Teil der Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung für das Generationenkapital“ aufzuwenden.
Generationenkapital – Was ist das? |
Was man derzeit über die Pläne zum Generationenkapital weiß, lässt sich wie folgt zusammenfassen: |
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Soziale Dividende durch Aktienspekulation – kann das klappen?
Ob diese Anlagepolitik am Ende immer eine ausreichende Rendite abwerfen wird und diese in einer Art ‚sozialen Dividende‘ die Finanzspielräume der Rentenversicherung erweitert, steht in den Sternen – oder besser: in den Charts über die Kursentwicklung der Aktienmärkte und der Zinsentwicklung von deutschen Staatsanleihen. So steigen derzeit die Zinsen für Staatsanleihen. Damit wird es immer schwieriger das nötige Zinsdifferenzial zu erwirtschaften. Zudem gibt es immer wieder Phasen an den Finanzmärkten, in denen niedrige Renditen erwirtschaftetet oder sogar Verluste eingefahren werden. So ließ etwa Ende Januar der norwegische Staatsfonds mit einem Rekordverlust von 152 Milliarden in 2022 aufhorchen. Selbst bei einer sehr optimistischen Sicht auf die Entwicklung der Finanzmärkte kann also nicht ausgeschlossen werden, dass es auch zu Verlusten kommt, die die Staatsfinanzen zusätzlich unter Druck setzen. Was das dann für die Politik bedeutet könnte, soll hier nicht näher erläutert werden. Nur so viel: Es braucht nicht viel Phantasie, um sich eine Haushaltsdebatte im Bundestag vorzustellen, wenn ein Staatsfonds Verluste eingefahren hat, die nicht ohne weiteres fiskalisch kompensierte werden können. Und es braucht auch nicht viel Phantasie, was das für den gesellschaftlichen Diskurs und die Akzeptanz des politischen Systems bedeuten könnte.
Renten nicht durch Spekulationen in Gefahr bringen!
Ob und unter welchen Bedingungen sich der Staat als Finanzmarktakteur betätigen sollte, ist eine Fragestellung, die also weit über das Feld der Alterssicherung hinausgeht. Bezogen auf die gesetzliche Rente sei aber davor gewarnt, die Renditechance einer spekulativen Anlagepolitik zu über- und die Gefahren zu unterschätzen. Mehr noch: Die Risiken der Finanzmärkte auf die gesetzliche Rentenversicherung und damit auf Beitragszahler*innen und Rentner*innen zu übertragen, ist ein sozialpolitisches No-Go! Die Renten von Millionen von Menschen dürfen weder heute noch in Zukunft durch Aktien-Spekulationen in Gefahr gebracht werden!
Doppelte Brandmauer hochziehen
Damit dies nicht geschieht, muss eine doppelte Brandmauer hochgezogen werden:
Erstens: Mit Beitragsgeldern spekuliert man nicht! Bislang hört man glücklicherweise auch von SPD und Grünen diesen Grundsatz immer wieder. Wohin die FDP will ist klar. Hinter den Kulissen soll es wohl Versuche des Finanzministeriums geben, einen Teil der sogenannten Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung in den Fonds abzuzweigen. Man kann SPD und Grünen nur dringend raten, in dieser Hinsicht allen Versuchungen zu widerstehen und fest bei ihrer Haltung zu bleiben.
Zweitens: Wenn schon der Staat Geld an den Finanzmärkten anlegen will, dann muss aber ausgeschlossen werden, dass Verluste die Renten kürzen! Das Risiko einer gescheiterten Anlagepolitik muss der Staat tragen und nicht die Gemeinschaft der gesetzlich Rentenversicherten. Dass auch hier die FDP mit ihrem ursprünglichen Vorschlag der Aktienrente anderes im Sinn hat, weiß jeder: Nach liberaler Zukunftsvorstellung soll nämlich ein Teil der Rente vom Erfolg der Kapitalanlage abhängen.
Solidarreform!
Die IG Metall setzt bei ihren Vorschlägen für eine nachhaltige Finanzierung der Alterssicherung nicht auf die Aktienmärkte, sondern auf das Solidarsystem. Eine gestärkte gesetzliche Rente, in die alle Erwerbstätigen einzahlen, muss im Zentrum der staatlichen Alterssicherungspolitik stehen. So sind eine gerechte und nachhaltige Finanzierung und angemessene Leistungen für alle möglich. Und eine „sichere Bank“ ist das Umlagesystem allemal – jedenfalls sicherer als Aktienspekulationen.
[1] Ein solcher finanzpolitischer Ansatz wird übrigens von einigen Ökonomen nicht nur für die Altersversorgung diskutiert. Zukunftsfonds sollen Geld erwirtschaften, um die Verkehrswende oder die Energiewende zu finanzieren. Dazu etwa: Ein Zukunftsfonds für Deutschland? (econstor.eu).