Gute Pflege für alle - gerecht finanziert!
Bundesgesundheitsminister Spahn hat Anfang Oktober seine lang erwarteten Reformpläne für die Pflege vorgestellt. Die Begrenzung des Eigenanteils bei den Pflegekosten könnte ein erster richtiger Schritt zur Entlastung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sein. Doch die Entlastung fällt so niedrig aus, dass Pflegebedürftigkeit im Alter weiterhin für viele mit einem hohen Armutsrisiko verbunden bleibt.
Stationäre Pflege ist für viele Pflegebedürftige eine enorme finanzielle Belastung. Das liegt daran, dass die Pflegeversicherung keine Vollversicherung ist, sondern die Gestalt einer „Teilkasko“ hat. Sie übernimmt nicht alle Kosten für die Pflege, wie das die Krankenkasse z.B. bei einem Beinbruch tut, sondern zahlt den Pflegebedürftigen lediglich einen Zuschuss. Wie hoch dieser Zuschuss ist, hängt vom Pflegegrad ab. Er liegt zwischen 125 (Pflegegrad 1) und 2.005 Euro (Pflegegrad 5). Da dieser Zuschuss nicht ausreicht, um alle pflegebedingten Kosten im Pflegeheim zu bezahlen, müssen die Pflegebedürftigen selbst die übrigen Kosten übernehmen, den sogenannten Eigenanteil. Den will Spahn nun auf 700 Euro monatlich begrenzen. Es ist das Herzstück seiner Reformpläne (siehe auch Infokasten auf Seite 2).
Tatsächliche Kosten sind viel höher
Den Eigenanteil zu deckeln ist an sich gut und richtig. Allerdings kommt nun vielerorts der Eindruck auf, Pflegebedürftige würden künftig nur noch maximal 700 Euro für einen Platz im Pflegeheim zahlen. Das ist falsch! Der Eigenanteil, den Spahn nun deckeln will, liegt im Bundesdurchschnitt bei 786 Euro. Er ist nur einer von drei Kostenpunkten, den die Pflegebedürftigen zahlen müssen. Die anderen beiden sind die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, sowie Investitionskosten (z.B. Ausgaben des Pflegeheimbetreibers für Anschaffungen, Gebäudemiete etc.). Für diese kommt die Pflegeversicherung nicht auf. Rechnet man diese hinzu, liegen die Mittel, die man durchschnittlich aus der eigenen Tasche im Monat für einen Platz im Pflegeheim bestreiten muss, insgesamt bei 2.015 Euro! In einigen Bundesländern sind diese Kosten niedriger, sie können aber auch noch viel höher ausfallen. Nordrhein-Westfalen (NRW) z.B. ist mit durchschnittlichen Kosten von 2.405 Euro im Monat Spitzenreiter im Ländervergleich.
Pflege – ein Luxusgut?!
2.405 Euro im Monat können viele nicht für Pflege aufbringen. Eine herkömmliche Altersrente deckt das zumindest nicht ab. Im Bestand liegt die durchschnittliche eigene Altersrente (Nettorente vor Steuern, also nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung) für Männer zurzeit bei 1.130 bzw. 1.226 Euro (west / ost), bei Frauen ist sie mit 647 bzw. 962 Euro (west / ost) noch niedriger. Das würde nicht mal die Kosten für einen Pflegeheimplatz im durchschnittlich günstigsten Bundesland, Sachsen-Anhalt decken. Wer die Kosten nicht anders stemmen kann ist auf Hilfe des Sozialamts angewiesen. Diese Hilfen zur Pflege nach dem 12. Sozialgesetzbuch beziehen aktuell 36 % aller BewohnerInnen von Pflegeheimen.
Tropfen auf dem heißen Stein
Diese Zahlen zeigen: Die Deckelung des Eigenanteils hört sich zwar nach einer großen Entlastung an, ist aber angesichts aller Kosten nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Bei vielen Pflegebedürftigen wird sie gar nicht ankommen: nämlich dann, wenn der Eigenanteil jetzt schon unter 700 Euro liegt. Anderswo, wie z.B. NRW, wird sie zwar zu einer Entlastung führen, die die Gesamtlast aber nur von durchschnittlich 2.405 auf 2.287 Euro absenken wird. Das ist immer noch viel zu viel!
Vollversicherung und Bürgerversicherung
Es ist gut, dass sich die Politik dem Thema Pflege jetzt wieder verstärkt widmen will. Allerdings brauchen wir echte Reformen, die das Grundproblem nicht umschiffen. Pflegebedürftigkeit darf nicht zu sozialem Abstieg führen. Nötig ist eine Pflegeversicherung, die alle pflegebedingten Kosten übernimmt. Und eine solidarische Aufteilung der Kosten durch eine Pflegebürgerversicherung, die alle solidarisch an der Finanzierung beteiligt.
Das sind Spahns Reformpläne für die Pflege
Stationäre Pflege
- Begrenzung des monatlichen Eigenanteils für pflegebedingte Kosten in der stationären Pflege auf max. 700 Euro für max. 36 Monate (= max. 25.200 Euro)
Mini-Reform, die nur wenig Entlastung bringt und das Grundproblem nicht angeht.
Ambulante Pflege
- Bündelung der Leistungen für pflegende Angehörige in einem einheitlichen Budget zur flexibleren Anwendung.
- Dynamisierung der Leistungen Pflegegeld und Pflegesachleistungen für die häusliche Pflege (Erhöhung um Inflationsfaktor).
Die Bündelung der Leistungen für die ambulante Pflege ist zu begrüßen. Auch eine stetige Erhöhung der Pflegesachleistungen um einen Inflationsfaktor ist gut und lange überfällig.
Bezahlung der Pflegekräfte
- Um Leistungen mit der Pflegeversicherung abrechnen zu können muss ein Pflegeheim oder ambulanter Pflegedienst seine Mitarbeiter künftig nach Tarif bezahlen.
Der Pflegeberuf verdient mehr Anerkennung, bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung. Eine solche Tarifverpflichtung kann helfen, dies umzusetzen und so den Mangel an Pflegekräften begrenzen.