Das geht noch besser statt billiger!
Das Bundeskabinett hat ein Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz) auf den Weg gebracht. Damit sollen insbesondere die Weiterbildungsberatung und -förderung für Beschäftigte ausgebaut, der Zugang zum Arbeitslosengeld erleichtert und der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung abgesenkt werden. Der Entwurf ist eine Mischung aus guten Vorhaben, richtigen, aber halbherzigen Schritten sowie auch Fehlentscheidungen.
Vor dem Hintergrund des erwarteten Wandels der Arbeitswelt will die Bundesregierung im Sinne einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik Weiterbildung künftig stärker fördern und den sozialen Schutz bei Arbeitslosigkeit verbessern. Das klingt gut. Was ist genau geplant?
Ausbau der Weiterbildung – aber ohne Betriebsparteien
Weiterbildung wird als ein wichtiger Schlüssel für eine erfolgreiche Bewältigung des erwarteten Wandels am Arbeitsmarkt gesehen. Jedoch besteht bei der Weiterbildungsbeteiligung weiterhin Luft nach oben (siehe Grafik). Hier will die Bundesregierung mehr Anreize setzen:
Weiterbildungsberatung wird ausgebaut: Beschäftigte sowie Arbeitgeber haben nach dem Gesetzentwurf zukünftig einen Rechtsanspruch, sich von der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Fragen der Weiterbildung beraten zu lassen. Eine Weiterbildungsberatung soll flächendeckend in den Arbeitsagenturen eingeführt werden.
Weiterbildungsförderung wird ausgeweitet:
Bisher ist die Förderung der Weiterbildung von Beschäftigten durch die BA auf ältere sowie gering- bzw. unqualifizierte Beschäftigte und Beschäftigte in klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU) beschränkt (sogenanntes WeGebAU-Programm). Künftig soll Beschäftigten nun unabhängig von Qualifikation, Lebensalter und Betriebsgröße Zugang zur Weiterbildungsförderung eröffnet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So muss z. B. der Erwerb des Berufsabschlusses mindestens vier Jahre zurückliegen.
Förderung der Lehrgangskosten und Zuschuss zum Arbeitsentgelt:
Eine Arbeitgeberbeteiligung ist zwingend erforderlich und die Förderhöhe ist nach der Betriebsgröße gestaffelt:
- Kleinstunternehmen (< 10 Beschäftigte) bis zu 100 Prozent Lehrgangskosten und bis zu 75 Prozent Arbeitsentgeltzuschuss;
- KMU (< 250 Beschäftigte) bis zu 50 Prozent Lehrgangskosten und Arbeitsentgeltzuschuss;
- größere Unternehmen bis zu 25 Prozent Lehrgangskosten und Arbeitsentgeltzuschuss.
In bestimmten Fällen kann die Förderung auch höher ausfallen, etwa bei über-45-jährigen oder schwerbehinderten Beschäftigten.
Ausbau Weiterbildung grundsätzlich gut – aber Nachbesserungsbedarf:
Bisher gibt es im Gesetzentwurf keinen Impuls, ein gemeinsames Handeln der Sozialpartner und Betriebsparteien zu fördern. Dabei verfügen die Betriebsparteien gemeinsam über sehr gute Kenntnisse, wie sich der Wandel konkret im Betrieb vollzieht und wo Qualifizierungsbedarfe bestehen. Entsprechend sollten Anreize für ein gemeinsames Handeln gesetzt werden. Sinnvoll wäre eine Regelung, nach der Betriebe, in denen sich die Betriebsparteien auf eine Analyse der Qualifizierungsbedarfe und einen entsprechenden Entwicklungsplan verständigt haben, bessere Bedingungen bei der Weiterbildungsförderung erhalten.
Verlängerung der Rahmenfrist – richtig aber halbherzig
Jeder vierte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, der seinen Job verliert, landet direkt im Hartz IV-System, weil die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld I nicht erfüllt sind. Voraussetzung ist derzeit, dass man innerhalb der letzten 24 Monate mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat. Viele unstet Beschäftigte schaffen dies nicht. Die Regierung will den Zugang nun erleichtern: Statt 24 sollen es künftig 30 Monate Rahmenfrist sein, binnen derer man zwölf Monate Versicherungszeiten nachweisen muss.
Dies ist ein richtiger Schritt. Mehr befristet und instabil Beschäftigte werden Anspruch auf Arbeitslosengeld erhalten. Allerdings soll die Änderung aus umsetzungstechnischen Gründen erst ab 2020 gelten. Diese lange Einführungszeit ist überzogen. Zudem ist die Wirkung begrenzt. Voraussichtlich werden weniger als 50.000 Arbeitslose profitieren. Eine Ausweitung der Rahmenfrist auf 36 Monate, wie von Gewerkschaften gefordert, wäre hier wirkungsvoller. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung schätzt, dass dann immerhin 78.000 Arbeitslose mehr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I hätten.
Senkung des Beitragssatzes – Fehlentscheidung
Die positive Wirtschaftsentwicklung trägt dazu bei, dass die BA finanziell gut dasteht und über eine Finanzrücklage in Höhe von etwa 22 Milliarden Euro verfügt. Die Bundesregierung schätzt ein, dass die BA damit für eine wirtschaftliche Krise gewappnet und auch derzeit mehr als ausreichend finanziert ist. Sie sieht daher Spielraum für eine dauerhafte Beitragssatzsenkung von 3,0 auf 2,6 Prozent. Per Verordnung soll der Beitragssatz zudem befristet um weitere 0,1 Prozentpunkte bis Ende 2022 auf dann insgesamt 2,5 Prozent herabgesetzt werden.
Dies ist eine Fehlentscheidung. Die geplante Senkung des Beitragssatzes führt bei Durchschnittsverdienenden zu einer monatlichen Entlastung in Höhe von 7,60 Euro im Westen und 6,70 Euro im Osten. Anstelle dieser vergleichsweise geringen Entlastung wäre es z.B. sinnvoller, den Schutz der Arbeitslosenversicherung auszuweiten. Nötig wäre etwa ein besserer Schutz für langjährig Beschäftigte, um Abstürze ins Hartz IV-System nach langer Beschäftigungszeit zu vermeiden.
Fazit: Noch besser statt billiger
Die Intention des Gesetzes ist richtig. Ziel muss es sein, dass Beschäftigte bei dem erwarteten Wandel am Arbeitsmarkt möglichst als Beschäftigte im Betrieb mitgenommen und nicht arbeitslos werden. Hier sind die Arbeitgeber in der Verantwortung. Dass es die Marktkräfte jedoch allein zum Wohle aller richten werden, hat sich allzu oft als Irrglaube erwiesen. Entsprechend ist eine arbeitsmarktpolitische Flankierung nötig. Weiterbildung verstärkt zu fördern, ist dabei ein wichtiger Schritt. Die Senkung der Beiträge ist dagegen problematisch. Denn damit wird die Chance vertan, die gute Finanzsituation der Arbeitslosenversicherung zu nutzen, um die Leistungen der Arbeitslosenversicherung noch weiter zu verbessern. Das würde Menschen Ängste nehmen und wäre ein wichtiges Signal in Richtung eines verlässlichen Sozialstaats.