Grundrente soll Lebensleistung honorieren
Die große Koalition hatte sich 2018 auf die Einführung einer Grundrente verständigt. Nun hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sein Konzept einer „Respekt-Rente“ vorgelegt, das aus drei Bausteinen besteht: deutliche Zuschläge für Niedrigrenten nach mindestens 35 Beitragsjahren, ein Renten-Freibetrag in der Grundsicherung sowie Verbesserungen beim Wohngeld. Die IG Metall fordert seit langer Zeit eine Aufwertung niedriger Einkommen bei der Rentenberechnung. Denn eine gerechte Grundrente würde die Lebensleistung stärker honorieren und dabei helfen, Altersarmut einzudämmen.
Aufwertung von Rentenansprüchen
Wer über einen langen Zeitraum nur ein geringes Einkommen erzielt hat, dem droht trotz regelmäßiger Beitragszahlungen im Alter eine niedrige Rente. Für Zeiten vor 1992 kennt das Gesetz mit der Rente nach Mindestentgeltpunkten (RnME) hier eine relativ einfache, aber wirkungsvolle Maßnahme: Die erworbenen Rentenpunkte werden rückwirkend um das 1,5-fache bis auf 75 Prozent des Durchschnitts hochgewertet. So wird die Lebensleistung der Beschäftigten im Niedriglohnbereich bei der Rente honoriert – aber eben nur für Zeiten bis einschließlich 1991.
Nun greift Hubertus Heil dieses Instrument auf und entwickelt es in seinem Grundrentenkonzept weiter: Er schlägt vor, die aus geringem Einkommen erworbenen Entgeltpunkte (EP) auf das 2-fache anzuheben, höchstens jedoch auf 80 Prozent des Durchschnitts (s. Beispiel S. 2).
35 Beitragsjahre notwendig
Eine Aufwertung der eigenen Rentenpunkte soll laut einem Faktenblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aber nur erhalten, wer mindestens 35 Jahre an „Pflichtbeitragszeiten vor allem aus Beschäftigung, Kindererziehung und Pflegetätigkeit“ erreicht hat. Diese 35 Jahre „Grundrentenzeiten“ begrenzen zugleich die Jahre, in denen die EP hochgewertet werden können. Auch wer 38 oder 42 Pflichtbeitragsjahre im Niedriglohnbereich tätig war, bekommt „nur“ 35 Jahre hochgewertet – und nicht 38 oder 42 Jahre.
Keine Bedürftigkeitsprüfung
Die Hochwertung ihrer Rente sollen Leistungsberechtigte ohne Bedürftigkeitsprüfung erhalten. Damit steht die Grundrente in keinem direkten Zusammenhang mit der Grundsicherung – also dem Existenzminimum, das auf Antrag beim Sozialamt auch erhalten können, wer keine oder nur sehr geringe Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt hat. Vielmehr wäre die Grundrente eine Versicherungsleistung, die langjährig Versicherten den Gang zum Sozialamt erspart, weil die Rente in der Regel höher ausfällt als die Grundsicherung. Die Lebensleistung jahrzehntelanger Arbeit würde (wieder) honoriert – und das ungeachtet etwa des Partnereinkommens.
Mindestens 0,2 EP notwendig
Als weiteres Zugangselement enthält der Grundrentenvorschlag neben den 35 Jahren Grundrentenzeiten eine Mindestgrenze, die überschritten werden muss: Nur wenn im Durchschnitt mindestens 0,2 EP pro Jahr erreicht wurden, kommt man in den Genuss der Hochwertung. Diese Grenze entspricht derzeit einem Monatseinkommen von rund 650 Euro (brutto), die versicherungspflichtig mindestens verdient werden müssen.
3 bis 4 Millionen profitieren
Das BMAS kalkuliert, dass drei bis vier Millionen Menschen von der Grundrente profitieren und sich ihre individuellen Rentenansprüche deutlich erhöhen würden – etwa 75 Prozent davon wären Frauen. Die Kosten verortet Hubertus Heil im Bereich eines mittleren einstelligen Milliardenbetrags, die Finanzierung soll vollständig aus Steuermitteln erfolgen. Damit lägen die kalkulierten Ausgaben angesichts der großen Zahl der Begünstigten und bei einem Gesamthaushalt der Rentenversicherung von über 300 Mrd. Euro im Jahr in einem überschaubaren Rahmen.
Freibeträge bei Grundsicherung und Wohngeld
Vervollständigt wird die Respekt-Rente von zwei weiteren Bausteinen. Zum einen soll ein Freibetrag für die Rente bei der Grundsicherung eingeführt werden. Ab 35 Versicherungsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung sollen 25 Prozent der individuellen Rente, höchstens aber 106 Euro, nicht auf das Einkommen angerechnet werden. Zudem soll es beim Wohngeld ebenfalls einen Freibetrag geben: Hier soll der Wert 125 Euro betragen. Perspektivisch sollen die Miet- bzw. Einkommensgrenzen regelmäßig angepasst werden.
Auf dem richtigen Weg!
Der Vorschlag einer Respekt-Rente kann insgesamt positiv bewertet werden, auch wenn einige Fragen offenbleiben. Dies gilt etwa für das Dilemma derjenigen, die nur ganz knapp an der Zugangsvoraussetzung von 35 Jahren Grundrentenzeit scheitern. Auch ist zum jetzigen Zeitpunkt offen, wie sich die Koalitionspartner von CDU und CSU positionieren werden. Fest steht aber: Für langjährig Versicherte würde sich die Chance auf eine Rente deutlich über der Grundsicherung erhöhen, und drohende Altersarmut könnte eingedämmt werden. Ebenfalls sachgerecht sind die Vorschläge, die Hochwertung auch für den heutigen Rentenbestand umzusetzen und die Leistung aus Steuermitteln zu finanzieren.
Bei der Bevölkerung trifft die Respekt-Rente jedenfalls auf ein positives Echo (s. Grafik) und auch die IG Metall begrüßt, dass ihre Forderung nach einer modifizierten Rente nach Mindestentgeltpunkten aufgegriffen wird. Denn mit einer gerechten Grundrente wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung geschafft.
Bis zu 450 Euro mehr Rente
Grundrente am Beispiel eines Monatseinkommens von 1.300 Euro:
Verdient eine Person durchgängig 40 Prozent des Durchschnitts (das wären derzeit ca. 1.300 Euro brutto im Monat), erwirbt sie dafür 0,4 Entgeltpunkte (EP) im Jahr. Über einen Zeitraum von 40 Jahren entspricht das einer Summe von 16 EP, was im Westen einer Rente von 512,48 Euro entspricht. Durch die Grundrente würden nun 35 Jahre auf das 2-fache angehoben und die Höchstgrenze von 80 Prozent des Durchschnitts damit genau erreicht. Insgesamt würden für die Rentenberechnung 14 EP hinzugezählt, das sind 448,42 Euro. In der Summe käme die Person somit auf 960,90 Euro, die Rente läge deutlich höher als die durchschnittliche Grundsicherung von aktuell knapp 840 Euro.
Quelle: Eigene Berechnung nach Faktenblatt „Grundrente“, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Februar 2019