So gelingt der Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung
Vom 06. bis 12. Oktober fand der Gewerkschaftstag der IG Metall in Nürnberg statt. Das Thema Alterssicherung war mit 110 beratenen Anträgen eines der Topthemen bei den knapp 500 Delegierten. Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied, erläutert die neue Beschlusslage zum Thema Alterssicherung und spricht über die geplante Fortsetzung der Rentenkampagne der IG Metall.
Wie erklärst du dir das enorme Interesse und hohe Engagement der Delegierten beim Thema Alterssicherung?
Viele Kolleginnen und Kollegen machen sich einfach Sorgen, dass die Rente im Alter nicht reichen wird. Sie sind stinksauer über die Rentenpolitik der vergangenen Jahrzehnte, die Leistungen gekürzt, Regelaltersgrenzen erhöht und sie gezwungen hat, privat der Rentenlücke hinterher zu sparen. Und sie sind bereit sich mit ihrer IG Metall für eine solidarische Rentenpolitik einzusetzen. Das war auch die Stimmungslage des Gewerkschaftstages. Die Botschaft der Delegierten lautet: Dran bleiben!
Die IG Metall fängt bei der Rente nicht bei null an.
Richtig! Mit unserer Rentenkampagne haben wir schon einige Verbesserungen erreicht. Ich denke da an die Rente ab 63 nach 45 Versicherungsjahren, die Stabilisierung des Rentenniveaus bis 2025 und Verbesserung der Erwerbsminderungsrente. Das sind richtige Schritte. Aber das reicht nicht.
Was hat der Gewerkschaftstag beschlossen?
Das Herzstück der Rentenpolitik der IG Metall ist und bleibt die Stärkung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente. Dies wurde auf dem Gewerkschaftstag einmal mehr untermauert. Um dieses Ziel zu erreichen, fordern wir verschiedene ineinandergreifender Reformmaßnahmen. Erstens bedarf es einer Stabilisierung und mittelfristigen Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent. Auskömmliche Renten müssen wieder das entscheidende Sicherungsziel werden und nicht möglichst niedrige Beiträge. Zweitens lehnen wir die Rente mit 67 weiterhin ab und erteilen allen Versuchen, das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen eine klare Absage. Statt immer höhere Regelaltersgrenzen, fordern wir passgenaue und sozial abgesicherte Übergänge in die Rente – weit vor der 67. Drittens, fordern wir bessere Zugangskriterien zur Erwerbsminderungsrente, die an die realen Bedingungen des Arbeitsmarktes angepasst sind. Und viertens wollen wir die gesetzliche Rentenversicherung mittel- bis langfristig zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung weiterentwickeln, in der alle Berufsgruppen gemeinsam versichert sind, auch etwa Selbstständige, Freiberufler und Beamte.
Es wurde auch über die Betriebsrente diskutiert. Mit welchem Ergebnis?
Die IG Metall setzt sich für eine gute Betriebsrente für alle ein. Als Ergänzung zur gesetzlichen Rente - nicht als Ersatz.
Wie soll eine gute Betriebsrente aussehen?
Die Delegierten haben Leitplanken für eine gute Betriebsrente beschlossen. Hierzu zählen die Finanzierung der Betriebsrente durch den Arbeitgeber, eine garantierte Mindestleistung, eine verlässliche Arbeitgeberhaftung sowie ein Bestandsschutz für bestehende Regelungen. Innerhalb dieser Leitplanken soll sich auch eine mögliche tarifpolitische Ausgestaltung bewegen. Über diese Ausgestaltung muss noch entschieden werden.
Im Vorfeld des Gewerkschaftstages und in einer ganzen Reihe von Anträgen war vom Sozialpartnermodell die Rede. Was bedeuten die Beschlüsse in dieser Hinsicht?
Nach der Gesetzeslage sind im Sozialpartnermodell Mindest- oder Garantieleistungen ausgeschlossen. Zugleich sieht es keine Arbeitgeberhaftung vor. Die Haftungsrisiken des Arbeitgebers sollen ja entfallen. Das liegt außerhalb der definierten Leitplanken. Die Beschlusslage ist hier eindeutig.
Was für Aktivitäten plant die IG Metall in nächster Zeit?
Der Gewerkschaftstag hat die Fortführung der Rentenkampagne der IG Metall beschlossen. Zurzeit tagt noch die Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“, die ihren Abschlussbericht voraussichtlich im März 2020 vorlegen wird. Hinter den Kulissen trommeln wirtschaftsnahe Lobbyisten und selbsternannte Rentenexperten für weitere Einschnitte und die Anhebung der Regelaltersgrenze. Hier müssen wir gegenhalten. Die IG Metall wird also auch 2020 rentenpolitisch gefragt sein. Um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen, planen wir einen rentenpolitischen Generationengipfel am 24. und 25. März in Berlin. Mit 250 Kolleginnen und Kollegen werden wir über den Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung diskutieren und unsere Forderungen an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil überreichen. Die Rentenkonferenz ist gleichzeitig der Startschuss für weitere Aktivitäten die wir für 2020 und darüber hinaus planen. In Sachen Rente ist also auch weiterhin mit uns zu rechnen!